Sonntag der 17.09. - Der Tag
Am Sonntag Nachmittag telefonierte ich - wie inzwischen täglich - mal wieder mit meiner Oma. Sie wollte natürlich wissen ob sich immer noch nichts getan hätte. Meine Tante war auch bei Oma, und so sprach ich auch noch kurz mit ihr. Als ich ihr erzählte, dass ich bereits seit Samstag den Verdacht hatte, dass bei mir ein Riss in der Fruchtblase wäre und Wasser ausläuft (tröpfchenweise!), schimpfte sie ein wenig mit mir weil ich mich noch nicht im Krankenhaus gemeldet hatte. Kathleen hatte sich am Vormittag gemeldet und gesagt dass sie nachmittags zu mir kommen würde. Und während ich mit Oma und Tante telefonierte rief sie noch einmal an und sagte dass sie sich jetzt auf den Weg machen würde. Ich erklärte ihr gleich, dass wir dann mal zusammen in die Klinik fahren müssten - "Kein Problem" war ihre Antwort. Und so wartete ich bis Kathl vor der Tür stand. Bevor wir aber losfuhren schauten wir noch eine Stunde fern und aßen meinen leckeren Prasselkuchen. Und ich rief in der Klinik an, um zu fragen was ich denn tun müsse wenn ich den Verdachte habe dass Fruchtwasser auströpfelt.
Auf dem Weg ins Krankenhaus versuchte ich mehrmals Sven zu erreichen, der ja noch auf der Wiesn arbeitete. Leider ging er nicht ans Handy. Ich erreichte ich erst, als ich schon vor der Klinikpforte stand und darauf wartete dass Kathleen einen Parkplatz gefunden hatte (gar nicht mal so einfach in der Münchner Innenstadt zur Wies´nzeit). Ich erklärte Sven, dass ich gerade einfach mal zur Untersuchung in die Klinik gefahren bin, dass ich mich aber noch mal melden würde, wenn ich mehr wüsste. 3 Minuten später rief er mich zurück um mir zu sagen, dass er seinen Job gegen 21 Uhr verlassen würde. Danach suchten Kathleen und ich den Kreissaal, weil ich mich da zwecks Untersuchung melden sollte. Wir wurden von der sehr netten Hebammenschülerin Jill in Empfang genommen und in ein Zimmer geführt in dem ich ans CTG gehängt wurde. Die Herztöne des Babys waren völlig in Ordnung, nur ein wenig hoch. Dafür hatte ich trotzdem absolut keine Wehen. Der Muttermund wurde untersucht und war bereits 2 cm offen. Während ich da hing und mich untersuchen ließ hörte ich, wie jemand reingelassen werden sollte - Sven! Er hatte sich gleich losgeeist, weil er ohnehin noch seine Arbeitsklamotten abgeben musste und die Kleiderkammer nur bis 17 Uhr offen war. Es folgte eine Untersuchung durch eine Ärztin, die testete ob es sich tatsächlich um Fruchtwasser handelte. Und es war welches!!! Also machten wir Ultraschall, der ergab dass noch richtig viel Fruchtwasser um das Baby drumrum war. Also wirklich nur ein Riss, aber da der ja nun schon seit einem Tag war (wovon wir ausgehen mussten) wurde mir Blut abgenommen um auf Entzündungen zu prüfen. Dafür hat mir die Ärztin mehrmals versucht einen Zugang zu legen: am linken Unterarm, an der linken Hand - leider platzten dabei beide Male die Äderchen und das ging natürlich nicht. Also versuchten wir das Ganze noch einmal an der rechten Hand, dort funktionierte es. Nach der Blutabnahme bekam ich schon ein Zimmer zugewiesen. Wir wurden auf die Wochenstation geführt, im Schwesternzimmer füllten wir den Anmeldebogen aus und dann bezog ich mein Zimmer. Da drin saß schon eine andere Schwangere, die häufig verdächtig hechelte. Das kannte ich bis dahin ja fast gar nicht. Ich bekam jedenfalls gleich als allererstes Abendessen - hat gar nicht mal schlecht geschmeckt. Aber noch während ich anfing zu essen kam eine Schwester, die meinte ich solle sofort nach dem Essen wieder hoch in den Kreissaal. Kaum 10 Minuten später wurde ich wiederholt gebeten mich im Kreissaal einzufinden. Sven hatten wir erstmal heimgeschickt, damit er sich daheim frisch machen konnte. Ich aß also schnell auf und dann gingen Kathleen und ich zurück nach oben.
Der Abend - die letzten Stunden
Wieder im Kreissaal wurde ich direkt wieder ans CTG gehängt, und gleich parallel an den Wehentropf. Wer hätte denn auch gedacht dass der so schnell wirkt. Es hat nicht lange gedauert, und ich spürte das vertraute Zwicken im Rücken was mir Wehen anzeigte. Gegen 19 Uhr kam dann Sven zurück, und so saßen Kathleen und er jeweils an einer meiner Seiten und unterhielten mich. Immer wieder schauten wir gebannt auf das Gerät welches das CTG schrieb, denn darauf konnte man die Wehen auch deutlich sehen. Kathl verließ uns gegen 20 Uhr, und nun saßen wir zu zweit und harrten der Dinge die da kommen mögen. Die Wehen kamen ja von Anfang an recht regelmäßig und in kurzen Abständen, aber sie wurden immer schmerzhafter. Alle halbe Stunde wurde der Wehentropf nach oben gedreht - mit 12 ml pro Stunde hatten wir angefangen, danach 24, 36, 48 und schlussendlich 60. Ich dachte ich muss wahnsinnig werden und sterben. Die Schmerzen waren kaum noch zum Aushalten. Wir gingen zwischendurch ein wenig auf dem Gang spazieren, kamen aber immer nicht weit, denn alle 2 bis 3 Minuten musste ich eine Wehe veratmen und daher stehen bleiben. Irgendwann ging ich noch ein letztes Mal mit dem Wehentropf an der Hand auf die Toilette, dann wieder zurück zum Kreissaal und dann ging nix mehr. Ich hab mich gewunden und vor Schmerzen gestöhnt, zwischen den Wehen in Svens mitleidsverzerrtes Gesicht geschaut, aber er konnte auch nix machen. Gegen 22 Uhr kam Hebammenschülerin Barbara, die mich fragte ob sie mir den Rücken massieren solle. Ich lehnte dankend ab, verlangte aber gleichzeitig danach eine PDA bekommen zu dürfen. Und so wurde der Anästhesist gerufen, der mir erst die betreffende Stelle am Rücken örtlich betäubte. Das war nur ein kleiner, kaum zu spürender Pieks. Und ehrlich gesagt war mir auch alles Recht was die Schmerzen lindern konnte! Gleich darauf wurde mir ein Katheder ins Rückenmark gelegt, und versprochen, nach ca. 20 Minuten würde ich kaum noch etwas spüren. Sven war im übrigen aus dem Zimmer geschickt worden, die mögen es nicht wenn Männer beim Legen der PDA dabei sind weil sie dabei am ehesten umfallen. Jedenfalls wurde es tatsächlich innerhalb kurzer Zeit wieder etwas erträglicher, aber schon noch schmerzhaft.
Gegen 0 Uhr fragte die Hebamme, ob ich denn immer noch Schmerzen bei den Wehen haben würde. Die hatte ich, wenn auch nur auf der linken Seite. Sie rief dann beim Anästhesisten an, um zu fragen ob sie mir noch einmal die doppelte Dosis geben dürfe. Er bejahte dies und so war ich gegen halb eins völlig schmerzfrei. Ab da war die Geburt mehr lustig als alles andere. Gegen eins schauten die Ärztin und die Hebamme nach meinem Muttermund, der nun völlig offen war. Dabei stellten sie auch fest, dass die Fruchtblase ganz schön prall nach unten drückt, und dass man sie sprengen müsste. Ich hatte davon schon gelesen und fand das nicht schlimm. Die Ärztin, die Hebamme und die Hebammenschülerin Lisa (beide letzteren hatten seit 22 Uhr Dienst) versuchten also, meine Beine auseinander zu bekommen. Ich selber konnte leider nicht mehr, da ich durch die PDA jegliches Gefühl ab dem Einstichpunkt abwärts verloren hatte. Viertel zwei war es, als sie meine Beine spreizten, und im gleichen Moment sprang die Fruchtblase selbstständig. Es machte "PLATSCH" und alle drei waren nass. Daraufhin bekam ich einen Lachkrampf vom allerfeinsten, ich konnte mich wirklich nicht mehr halten!!!
Die Geburt und die ersten Stunden
Bald danach kam die Hebamme und erklärte mir, da es nun bald losgehen müsste machen wir jetzt nochmal einen Blasenkatheder. NOCHMAL??? ICH HATTE NOCH NIE EINEN! Ehrlich, davor hatte ich mehr Panik als vor allem anderen. Es war dann aber gar nicht so schlimm wie ich dachte. Die Hebamme erklärte auch sehr gut was sie überhaupt tat, und es war natürlich ungemein beruhigend zu wissen dass die Blase soweit leer war. Weitere anderthalb Stunden zogen ins Land, wir unterhielten uns miteinander, zwischendurch auch mal mit der Hebammenschülerin Lisa und hatten unseren Spaß - mir ging es ja gut! Ich drückte alle 20 Minuten auf mein Knöpfchen um die PDA aufrecht zu erhalten und bekam erklärt wie ich am besten atmen sollte wenn ich merkte dass eine Wehe kommt. Ich legte mich auf die Seite und machte ein Gesicht als würde ich grinsen - so wie es mir aufgetragen worden war. Dabei schloss ich die Augen und drückte ich mit aller Kraft nach unten.
Gegen 3 Uhr kam auch die Ärztin mal wieder vorbei. Kurz darauf wurde auch die Oberärztin hinzugerufen, denn wir waren schon gut fortgeschritten, allein das Köpfchen war noch nicht weit genug unten. Ich weiß nicht mehr was die Ärztinnen sagten - irgendetwas was mich zum Lachen brachte. Auf einmal schauten alle ringsum ganz erstaunt und meinten, wenn ich lache kommt das Köpfchen gut runter. "Lachen Sie ihr Kind doch raus" war die Aussage der Ärztin, und auch das amüsierte mich dermaßen, dass ich tatsächlich weiterlachte. Natürlich auch in dem Wissen dass ich damit meinem Baby half bald auf die Welt zu kommen! Leider fruchtete das alles nicht ganz so sehr wie anfangs erwartet, und so wurden wir informiert dass die Ärzte nun zu unser aller Wohl gern auf die Hilfe mit dem Vakuum zurückgreifen würden. Ich stimmte selbstverständlich zu - die wissen schon was sie tun! Auf einmal herrschte rege Betriebsamkeit in dem kleinen Kreissaal, alles wurde fertig gemacht, Geräte vorbereitet, die Kinderärzte angerufen (die man immer bei einer Geburt mit Hilfe der Saugglocke braucht wie man mir erklärte) und was weiß ich was da alles um mich herum geschah. Ich sollte derweil immer weiter pressen, und die Hebamme drückte schön auf meinem Bauch herum, sie schob quasi von außen mit. Tja, die Kinderärztin (oder waren es mehrere?) betrat den Raum und ich hörte nur noch "Jaaaaa, pressen, pressen sie weiter, wir bekommen das Kind jetzt ohne Saugglocke raus!!!" Ich presste also, und mehr weiß ich von den Augenblicken auch nicht, um mich rum war alles irgendwie unwirklich. Aber ich hatte ja auch beim pressen immer die Augen zu, vielleicht hab ich sie auch zwischen den Pressvorgängen gar nicht mehr aufgemacht - keine Ahnung!!! Das nächste was ich weiß, ist dass es 'plopp' machte, und ein kleines Bündel Mensch in den Händen der Belegschaft zwischen meinen Beinen rumzappelte. Ich sehe noch genau vor mir wie sie die Nabelschnur abwickelten, weil die sich scheinbar um den Hals des Babys gewickelt hatte. Und danach legten sie mir meine kleine Anika Aline auf den Bauch!
Ich staunte das Kind erst einmal ausgiebig an und guckte dann Sven an um zu schauen ob er auch ja alles mitbekommen hatte. Und da war es - das kleine Tränchen in seinen Augen - von dem ich immer stark vermutet hatte dass es kommen würde, was Sven aber immer abgestritten hatte. Auch er staunte das kleine Wesen auf meinem Bauch an, und durfte zur Belohnung weil er so gut durchgehalten hatte direkt die Nabelschnur durchtrennen. Kaum war das passiert wurde die Kleine auch schon wieder entführt - und der frisch gewordene Papa gleich mit. Schließlich musste das Kind ja untersucht werden. Währenddessen wurde mein Dammriss genäht - ich glaube das war das schmerzhafteste an der Geburt, weil die PDA zum einen schon etwas nachgelassen hatte, und außerdem - wie die Ärztin mir sagte - in den oberen Hautschichten ohnehin nicht wirklich wirkte. So spürte ich jeden Stich, aber es war mir egal! Ich wollte nur die Püppi wieder bei mir haben. Ich wurde gefragt ob ich sie angezogen oder nackt haben möchte, und ich wollte sie natürlich Haut an Haut spüren. Also wurde sie nur in ein Handtuch gewickelt und mir auf die Brust gelegt. Zwei Stunden hatten wir so Zeit, unsere Tochter kennen zu lernen und sie ausgiebig zu begutachten. Zwischenzeitlich kam die Hebamme und zeigte mir wie ich Anika Aline zum Stillen anlegen musste - das ging auch gleich ganz gut. Gegen dreiviertel sechs wurde unser Baby angezogen und wir wurden mit ihr zusammen fotografiert. Danach wurde sie in ein Bettchen gelegt und Sven brachte sie unter Aufsicht nach unten ins Kinderzimmer. Weil vom Riss in der Fruchtblase zur schlussendlichen Geburt so viel Zeit vergangen war kam Anika Aline an einen Monitor zur Überwachung der Vitalwerte. Davon bekam ich allerdings nichts mit, denn ich hatte in der Zwischenzeit eine Schüssel mit warmen Wasser bekommen um mich kurz frisch zu machen. Außerdem wurde mir ein Dauer-Blasenkatheder gelegt, den ich die nächsten Stunden mit mir herumtragen sollte. Mit alldem war ich bereits fertig als Sven zurückkam. Er und die Hebammenschülerin Lisa brachten auch gleich mein Bett mit, nun musste ich nur noch vom Kreisbett in mein eigenes. Was nicht ganz einfach war, da ich nach wie vor meine Beine nicht richtig spürte. Aber ich schaffte es mich hinüber zu hiefen und wurde dann nach unten in mein Zimmer gebracht. Meine Zimmernachbarin war auch noch nicht wieder da, also hatten Sven und ich genug Zeit um mir meine Ecke einzurichten. Er ging mir noch die notwendige Telefonkarte holen und dann verabschiedete er sich. Er war ja auch schon seit über 24 Stunden munter!
Allein im Zimmer hing ich erst meinen Gedanken nach, aber schon nach kurzer Zeit wollte ich eigentlich nur noch eins: allen sagen dass die Kleine endlich da ist! Also aktivierte ich mein Zimmertelefon und rief bei meinen Eltern auf dem Festnetz an, in der Hoffnung meinen Bruder zu erreichen. Leider war nur der AB dran und so quatschte ich eben den voll. Dann rief ich meine Oma väterlicherseits an - es muss immerhin schon halb sieben früh gewesen sein! Aber Oma ging ran, also kein Problem. Ich erzählte ihr von den Ereignissen und wir telefonierten vielleicht eine Viertelstunde. Am Schluss fragte ich sie noch nach der Telfonnummer meiner anderen Großeltern, denn leider konnte ich nur da anrufen wo ich die Nummer aus dem Kopf wusste oder die Nummer durch Fragen herausbekam. Mir fehlte ja nur die letzte Ziffer, und die hatte Oma parat! Also rief ich die anderen beiden Großeltern an (ich glaube die hab ich aus dem Bett geschmissen) und erzählte auch ihnen was sich seit dem vergangenen Nachmittag so zugetragen hatte. Nach dem Telefonat konnte ich dann beruhigt einschlafen und von der süßen Maus träumen die quer über den Gang im Kinderzimmer lag.
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